1. Arbeitszeiterfassung Pflicht – Was genau ist passiert?
2. Was heißt das für Arbeitgeber in Deutschland?
3. Wer sollte aktuell bereits auf die Pflicht zur Zeiterfassung reagieren?
4. Welche Pflichten zur Arbeitszeiterfassung existieren schon heute in Deutschland?
5. Fazit
Das Bundesarbeitsgericht Erfurt hat am 13. September 2022 offiziell per Grundsatzurteil entschieden, dass „der Arbeitgeber nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet ist, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann“.
Wie genau ist diese Pflicht zur Arbeitszeiterfassung geregelt? Wer genau muss zum jetzigen Stand eine Zeiterfassung einführen? Diese und weitere Fragen beantworten wir in diesem Artikel.
Arbeitszeiterfassung Pflicht – Was genau ist passiert?
Im Jahr 2021 hat der Betriebsrat einer Pflegeeinrichtung geklagt. Der Betriebsrat wollte ein Initiativrecht haben, eine Arbeitszeiterfassung im Unternehmen einzuführen, um zu entscheiden, wann und wie eine Zeiterfassung implementiert wird.
Diese Klage wurde allerdings vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt abgewiesen. Die Begründung ist hierbei besonders interessant: Ein Initiativrecht für Arbeitnehmervertreter ist nicht nötig, weil eine Pflicht zu Arbeitszeiterfassung ohnehin bereits besteht. Das Gericht bezieht sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2019, das besagt, dass jedes EU-Land eine Pflicht zur Zeiterfassung gesetzlich verankern muss.
Das Bundesarbeitsgericht hat somit entschieden, dass es bereits jetzt eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gibt, und das sogar schon seit 2019.
Die genaue Urteilsbegründung wird zu Beginn des neuen Jahres erwartet. Am Urteil ändert dies jedoch nichts mehr. Somit ist der Druck auf die aktuelle Regierung gestiegen, eine Pflicht zur Zeiterfassung gesetzlich zu verankern und ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden.
Was heißt das für Arbeitgeber in Deutschland?
Viele Arbeitgeber fragen sich nun: Betrifft mich die Pflicht zur Zeiterfassung und sollte ich jetzt handeln? Obwohl es aktuell nur eine Gerichtsentscheidung gibt und kein gesetzlich verankertes Gesetz, bedeutet dies, dass keine Instanz eine Kontrolle durchführen kann.
Dennoch können Arbeitnehmer ab jetzt jederzeit den Arbeitgeber verklagen und ein Zeiterfassungssystem einfordern.
Wer sollte aktuell bereits auf die Pflicht zur Zeiterfassung reagieren?
Wir würden generell jedem Unternehmen eine digitale Zeiterfassung empfehlen, schlichtweg aufgrund der vielen Vorteile:
- Transparenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
- Digitalisierter Prozess ohne Papier
- Detaillierte Auswertung von Kundenprojekten (Stichwort Projektkalkulation)
- Automatische Kalkulation von Überstunden
- Urlaubsplaner inkl. Krankheitstage
Speziell unter dem Gesichtspunkt der Zeiterfassungspflicht gibt es für Unternehmen aktuell zwei Gründe für die sofortige Einführung einer (digitalen) Zeiterfassung:
Angespanntes Arbeitgeber- Arbeitnehmer-Verhältnis
Wie wir gerade erfahren haben, können Arbeitnehmer jederzeit den Arbeitgeber verklagen und die Einführung einer Zeiterfassung einfordern. Arbeitgeber, die nicht das beste Verhältnis zu ihren Angestellten haben, sollten überlegen, ob sie einer Klage nicht einfach einen Schritt voraus sein und proaktiv eine Arbeitszeiterfassung einführen wollen.
Vorbereitung auf die Pflicht zur Zeiterfassung
Unternehmer, die der Konkurrenz gerne einen Schritt voraus sein möchten, würden wir ebenfalls die Einführung einer Arbeitszeiterfassung empfehlen. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung und das dazugehörige Gesetz wird kommen. Die Frage, die man sich stellen muss: Will man sich bereits jetzt frühzeitig auf die Suche nach einer geeigneten Zeiterfassung machen oder bis kurz vor Schluss warten und dann vielleicht auf das falsche Pferd setzen?
Welche Pflichten zur Arbeitszeiterfassung existieren schon heute in Deutschland?
Schon heute gibt es in Deutschland eine Zeiterfassungspflicht. Diese unterscheidet sich jedoch in einem kleinen, aber entscheidenden Detail von der Rechtsprechung des EuGH aus Luxemburg.
1. Erfassung der Überstunden ist jetzt bereits Pflicht
Ein wichtiges Detail in der Debatte um die Arbeitszeiterfassung wird oft vergessen: Im Prinzip müssen Arbeitgeber bereits jetzt die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter erfassen und dokumentieren. Hierbei geht es jedoch nicht um die normalen Arbeitszeiten, sondern um die Zeiten, die über die normale Arbeitszeit hinausgehen – die sogenannten Überstunden. Die Pflicht hierfür kann man Paragraphen 16 des Arbeitszeitgesetz nachlesen.
Beispielsweise muss in einem normalen Anstellungsverhältnis mit 40 Stunden pro Woche jede Minute, die über diese Wochenstundenzahl hinaus gearbeitet wird, erfasst werden. Der Arbeitgeber ist hierfür verantwortlich. Werden Überstunden nicht erfasst, drohen dem Unternehmen drastische Strafen. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen:
Ausnahme 1: Höhe des Gehalts erübrigt Überstundenerfassung
Wenn ein Angestellter mehr als 76.200 Euro (West) bzw. 68.400 Euro (Ost) im Jahr verdient, muss er keine Zeiten erfassen. Der angegebene Betrag ist selbstverständlich als Brutto angegeben. Der Rechtsstaat geht davon aus, dass diese Mitarbeiter ohnehin die im Arbeitsvertrag festgelegte Stundenanzahl überschreiten. Das ausgezahlte Gehalt rechtfertigt im Prinzip die längeren Arbeitszeiten. Somit muss der Mitarbeiter keine Überstunden erfassen, weil eventuell anfallende Überstunden in seinem Gehalt inbegriffen sind. Wenn Sie mehr Informationen dazu benötigen, dann klicken Sie einfach hier.
Ausnahme 2: Arbeitszeiterfassung Pflicht für besondere Berufsgruppen
Hier spricht man gerne von „Diensten höherer Art“. Diese Berufsgruppen benötigen aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten und der Art ihres Berufes kein Zeiterfassungssystem. Folgende Berufsgruppen sind davon betroffen:
- Ärzte
- Rechtsanwälte
- Architekten
- Steuerberater
- Politiker
2. Mindestlohngesetz regelt Arbeitszeiterfassung
Arbeitgeber, die Mitarbeiter zum Mindestlohn beschäftigen, sind bereits seit dem 1. Januar 2015 verpflichtet, alle Arbeitszeiten der Mitarbeiter minutengenau zu erfassen und zu dokumentieren. Seit diesem Jahr erhalten die betroffenen Mitarbeiter übrigens einen Stundenlohn von 12,41 Euro.
Die Arbeitszeiten und Pausen müssen minutengenau erfasst werden. Oft dokumentiert der Arbeitnehmer seine Zeiten selbst, dennoch bleibt es die Verantwortung des Arbeitgebers. Werden Zeiten nicht ordnungsgemäß erfasst, drohen hohe Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen für den Arbeitgeber.
3. Zeiterfassung für Berufskraftfahrer
Auch bei angestellten Fahrer wie zum Beispiel Lieferkuriere gibt es bereits eine Regelung. Dies hat der Gesetzgeber in §21 a des Arbeitszeitgesetzes festgelegt. Dort heißt es, dass der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu dokumentieren. Zusätzlich muss er die Dokumente mindestens 2 Jahre archivieren. Falls der Arbeitnehmer einen Ausdruck seiner gearbeiteten Zeit haben möchte, so muss der Arbeitgeber diesen Ausdruck ebenfalls aushändigen.
All diese Regelungen gelten übrigens auch für selbstständige Berufskraftfahrer.
Tipp: Ganz wichtig ist zudem, dass die Arbeitszeiterfassung auch für Beifahrer gilt. Wenn beispielsweise zwei Kuriere gleichzeitig unterwegs sind, müssen beide die Arbeitszeiten erfassen. Dies gilt somit auch, wenn einer der beiden Kuriere überhaupt nicht am Steuer sitzt.
Fazit
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung wird sicher kommen. Das ist der zentrale Satz, den man aus der Urteilsverkündung des Bundesarbeitsgerichts ableiten kann. Wie genau ist immer noch nicht definiert und wird erst zu 100% klar, wenn das tatsächliche Gesetz von der Bundesregierung ausgearbeitet wurde und durch den Bundestag verabschiedet wird. Wir halten Sie hier weiterhin über sämtliche Details auf dem Laufenden.
Rechtlicher Hinweis zum Artikel „Arbeitszeiterfassung Pflicht“
Die Inhalte unseres Artikels „Arbeitszeiterfassung Pflicht“ – vor allem die rechtlichen Aspekte – recherchieren wir mit größter Sorgfalt. Dennoch können wir keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der bereit gestellten Informationen übernehmen. Die Informationen sind insbesondere auch allgemeiner Art und stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Zur Lösung von konkreten Rechtsfällen konsultieren Sie bitte unbedingt einen Rechtsanwalt bzw. Ihren Steuerberater.
Quellen: Bund Verlag
Meinen Dank für die Tipps zu der Arbeitszeitmessung! Beim Freund war es der Fall, wenn die Überstunden beim Gehalt nicht mitberechnet wurden. Welche mobilen Apps sind hier zu empfehlen? Die scheinen sehr sinnvoll zur Selbstkontrolle auch.
Nicht ganz selbstlos würden wir crewmeister.com vorschlagen.
Die Kosten sind überschaubar und die App berechnet automatisch das Überstundenkonto inkl. Urlauben, Krankheits- und Feiertagen.
gehen Sie doch einmal mit Ihrem Desktop auf crewmeister.com und legen ein kostenloses Testkonto an. Im Anschluss können Sie sich die App kostenlos herunterladen und die Software einfach mal unverbindlich ausprobieren.
Die Tipps sind sehr hilfreich, vielen Dank dafür.
Mich würde aber noch interessieren wer die Betriebe kontrolliert ob es eine Zeiterfassung gibt oder nicht.
Hi Carmen,
danke für dein positives Feedback!
Sämtliche Kontrollen im Bereich Zeiterfassung fallen unter die Obhut des Zoll.
Wir haben da tatsächlich schon einmal einen Artikel veröffentlicht. Bei Interesse kannst du dir Ihn gerne hier durchlesen.
Viele Grüße vom gesamten Crewmeister Team